Kaum eine andere Technologie verändert die industrielle Papierherstellung so grundlegend wie die trockene Vlieslegung. Sie bricht mit dem jahrhundertealten Nassverfahren, das Wasser als zentrales Transport- und Bindemittel nutzt, und eröffnet einen völlig neuen, von der Textiltechnologie inspirierten Ansatz zur deutlich energieärmeren Herstellung von Papier. Im Forschungscluster FOMOP arbeiten interdisziplinäre Forschungsteams daran, diese disruptive Technologie zu einem industriell einsetzbaren Verfahren weiterzuentwickeln, das die Grundlagen der Papierproduktion neu definiert.
Trockene Papierlegung: Ein disruptiver Weg zur klimaneutralen Papierherstellung
Papier gänzlich ohne Wasser herstellen? Die trockene Papierlegung bricht mit dem etablierten Prozess, in dem Wasser eine grundlegende Rolle spielt: Die Zellulosefasern werden darin vereinzelt und gleichmäßig verteilt. Sie quellen auf, bilden miteinander Wasserstoffbrücken und formieren sich zu einer stabilen Papierbahn. Was seit der Erfindung des Papiermachens so funktioniert, hat in der modernen Industrieproduktion einen enormen energetischen Nachteil: Rund 60 % des gesamten Energieverbrauchs entfallen allein auf die Trocknung der Papierbahn. Selbst modernste Press- und Trocknungstechniken können diesen enormen Aufwand nicht vollständig ausgleichen: Solange Wasser am Prozess beteiligt ist, muss es am Ende verdampft und dem Papier entzogen werden.
Ein radikaler Ansatz: Papier ohne Wasser
Genau hier setzt die trockene Vlieslegung an: Statt Wasser kommt Luft als Transportmedium zum Einsatz. Die Zellulosefasern werden in trockenem Zustand zu einer Bahn gelegt, die anschließend verfestigt wird – und das ohne energieintensive Trocknungsschritte. Inspiration liefert das Airlaid-Verfahren aus der Textilindustrie, mit dem bereits erfolgreich Vliesfaserstrukturen hergestellt werden. Erste Anwendungen gibt es auch in der Papierindustrie, beispielsweise zur Herstellung von Papierservietten. Allerdings benötigen diese Verfahren sehr große Luftmengen mit entsprechendem Energiebedarf, zudem stoßen sie bei den Produkteigenschaften an Grenzen und erreichen nur geringe Produktionsgeschwindigkeiten.
FOMOP: Verbundforschung – von der Idee zum Programm
In ihrem Forschungscluster FOMOP treibt die Modellfabrik Papier diese Entwicklungen gemeinsam mit ihren Forschungspartnern, dem Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen (ITA) und der Technischen Universität Dresden, voran. „Wir wenden Prinzipien der Textiltechnik auf die Papierherstellung an. Anstelle von wässrigen Suspensionen verwenden wir trockene Fasergewebe, die anschließend verfestigt werden“, erklärt MFP-Gruppenleiter Steffen Flaischlen. Neben potenziell enormen Energieeinsparungen eröffnet dies neue Freiheiten bei der Materialauswahl und der Strukturgestaltung.
„Unser Ziel ist es, diese Einschränkungen zu überwinden und eine skalierbare Technologie zu entwickeln, die eines Tages industrielle Massenströme erreichen kann, die mit modernen Papiermaschinen vergleichbar sind“, so Flaischlen. Zu den wichtigsten Aspekten gehören eine gleichmäßige Faserverteilung bei reduziertem Luftstrom sowie die Entwicklung nachhaltiger, recycelbarer Additive und neuer Bindungsmechanismen, die die etablierten Papierrecyclingprozesse nicht beeinträchtigen.
Von der Idee zur Anlage: ein Prüfstand für die kontinuierliche trockene Papierlegung

„Derzeit entwickeln wir einen neuen modularen Prüfstand, der erstmals zwei Schlüsseltechnologien in einer einzigen Anlage vereint: die von Airlaid inspirierte Trockenfaservliesbildung und die Verfestigung des Vlieses“, sagt Flaischlen. „Mit dieser Kombination können wir erstmals eine reproduzierbare, homogene Faserverteilung in einem vollständig kontinuierlichen Prozess in einem skalierbaren Maßstab untersuchen und weiterentwickeln.“ Bislang gab es nur unzusammenhängende oder stark eingeschränkte Einzelprozesse. Der neue Versuchsstand bildet nun zukünftige industrielle Prozesse in technisch kleinerem Maßstab realistisch ab.
Erste Versuche – Trockenblätter aus Frischfasern, die auf einer vorläufigen Pilotanlage gelegt und anschließend offline verfestigt wurden – zeigen vielversprechende Ergebnisse: Die Proben, die auf der ZellchemingEXPO 2025 am Stand der Modellfabrik Papier präsentiert wurden, erreichten bereits Zugfestigkeiten, die mit denen von konventionell hergestelltem Papier vergleichbar sind – ein Meilenstein in der Trockenpapierherstellung.
„Unser Prüfstand ebnet den Weg für einen radikal geringeren Energieverbrauch und führt zu völlig neuen Gestaltungsmöglichkeiten für zukünftige Papierprodukte.“
Simulation als Schlüsseltechnologie
Noch muss die kontinuierliche trockene Papierlegung eine Reihe technisch anspruchsvoller Fragen lösen: Luft ist als Transportmedium viel schwieriger zu kontrollieren als Wasser. Sie erzeugt turbulente Strömungen, die die gleichmäßige Ablagerung der Fasern erschweren und Schwankungen im Flächengewicht begünstigen. Ohne die Vorteile von Wasser für die Faserquellung und die Bildung starker Wasserstoffbrückenbindungen müssen alternative, recyclingfähige Bindungskonzepte entwickelt werden, die auch die gewünschten Festigkeitseigenschaften ermöglichen.
„Um diese Probleme zu lösen, setzen wir auf eine Kombination aus experimenteller Forschung und Methoden der computergestützten Strömungsmechanik (Computational Fluid Dynamics). Mithilfe von CFD-Simulation können wir dreidimensionale Strömungsprozesse und den Transport einzelner Fasern im Formungsbereich detailliert analysieren. So erhalten wir Einblick in das Innere der Maschine, der mit konventioneller Messtechnik nicht möglich wäre“, sagt Flaischlen. Dank dieser Methode wird Forschung sehr viel schneller. Überdies können auf diese Weise Varianten und Prozessparameter virtuell getestet werden, um vor dem eigentlichen Errichten der Anlage die richtige Konstruktion des Prototyps sicherzustellen.
Ausblick
Auch wenn die skalierbare Umsetzung im industriellen Maßstab noch mehrere Jahre intensiver Forschung und Pilotierung erfordern wird, ist die Richtung klar: ein industriell einsetzbares Trockenlegungsverfahren, das Massenströme ähnlich denen heutiger Papiermaschinen ermöglicht – und gleichzeitig einen grundlegenden Beitrag zur Dekarbonisierung der Industrie leistet.
Trockene Papierlegung: Mit dem kontinuierlichen Herstellungsprozess auf einer Maschine, der zwei Schlüsseltechnologien kombiniert, rückt die klimaneutrale Papierproduktion in skalierbarem Maßstab in greifbare Nähe.
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