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Nachhaltiges Bauen: Das neue Forschungsgebäude der Modellfabrik Papier

Der Entwurf des neuen Forschungsgebäudes der Modellfabrik Papier mit Blick auf den Versorgungshof und die seitliche Promenade.
MFP News
22. April 2024

Noch steht das Forschungsgebäude der Modellfabrik Papier nur auf dem Papier. Doch wenn der Bau 2026 fertiggestellt ist, wird es das erste zukunftsweisende Gebäude im neuen Innovationsquartier Düren sein. Wie das Gebäude auf die Nachhaltigkeitsziele beim Bauen einzahlt, erklärten die Architekten Antonino Vultaggio und Stephan Kauert, Senior-Partner des Düsseldorfer Architektenbüros HPP, beim 7. Museumsdialog zur Modellfabrik Papier im Papiermuseum Düren.

Auffällig ist schon seine Fassade. „Sie ähnelt einem mehrfach gefalteten Papier und deutet außen schon an, worum es innen im Gebäude geht“, sagt Architekt Antonino Vultaggio, Senior-Partner des Düsseldorfer Architektenbüros HPP, den Entwurf. Was der Forschungskomplex aus einem zweigeschossigen Technikum und einem Labor- und Bürogebäude von außen nicht sofort erkennen lässt: Planung und Bau setzen neue Maßstäbe für nachhaltiges Bauen.

Wenn es um Klimaschutz geht, denken die meisten an die Energiewende oder den Verkehrssektor. Was viele nicht wissen: Beim Bauen werden weltweit die meisten Rohstoffe verbraucht und 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen verursacht. Die Bauindustrie ist der größte Einzelverursacher von Müll und Sondermüll. „Wir denken Bauen heute immer noch linear als Einbahnstraße vom Entwurf über den Bau bis zum Abriss“, sagt Vultaggio. Wer ewig altbekannte Ansätze rezitiere, schaffe keine besseren Lösungen für die Probleme unserer Zeit. Angesichts wachsender Städte und steigendem Bedarf an Wohnraum, Büro- und Gewerbegebäuden dürfe Architektur heute nicht mehr nur eindimensional denken. „Gebäude müssen Mehrwerte schaffen.“

Zirkulär statt linear

Diesem Leitgedanken folgen Entwurf und Planung des Gebäudekomplexes mit rund 6.500 Quadratmetern Brutto-Grundfläche. Die Baukörper sollen Baustoffe und Materialien nicht verbrauchen, sondern nur auf Zeit verwenden. „Wir denken ein Gebäude als Rohstofflager und planen von Anfang an so, dass sich möglichst alles, was verbaut wird, später einmal sortenrein trennen und wiederverwerten lässt – und das so problemlos wie möglich“, erklärt Vultaggio.

Technikum, Labor- und Bürogebäude werden in Holz-Hybrid-Bauweise realisiert. Mit der Wahl von zertifizierten Hölzern als primärem Baustoff setzt der Entwurf nicht nur auf klimawirksames Baumaterial, sondern auch auf Langlebigkeit und Zirkularität. Das Holztragwerk arbeitet mit vorgefertigten Elementen, die leicht demontiert und energiearm wiederverwendet werden können. Alle Materialien werden gesteckt und verschraubt, statt geklebt und verleimt, sind sortenrein und giftfrei – und können so eines Tages leichter in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden. Zudem verkürzt die Verwendung von vorgefertigten Bauteilen die Bauzeit.

Modular und zukunftsorientiert

Die architektonische Formensprache schafft nicht nur einen klaren Bezug zum Thema Papier, sondern verleiht dem Gebäude zudem – ähnlich wie aufgefaltetes Papier – Stabilität. Im Technikum entsteht so ein stützenfreier Raum, der einer Messehalle gleich alle Freiheiten bietet, um darin Forschungsstationen und Prüfstände ganz nach Bedarf einzurichten, um- und abzubauen. Material und Gerätschaften können aus dem Untergeschoss unterhalb der Promenadenebene durch eine Bodenluke mithilfe eines hydraulischen Kran nach oben geholt und quer durch die Halle transportiert werden.

Der Entwurf sieht zudem vor, dass Kernbauzonen im Dach für technische Installationen wie zum Beispiel Lüftungsschächte modular erweiterbar sind. Damit erfüllt die Architektur einen zentralen Anspruch der Modellfabrik Papier an das Gebäude: eine auf lange Sicht möglichst vielseitige Nutzung des Technikums – je nachdem, wie sich die Forschungsarbeiten im Laufe der Jahre ändern werden. Die Modularität habe auch ökonomische Vorteile, erklärt Generalplaner Stephan Kauert, Senior-Partner des Düsseldorfer Architektenbüros HPP. Werden sich ändernde Nutzungsanforderungen schon früh in der Planung mitgedacht, ließen sich spätere Umnutzungen oder Erweiterungen flexibel umsetzen – und sind weniger kostspielig.

Klimaaktiv und energieeffizient

Die Faltung der Fassade erfüllt einen weiteren Zweck. Weil die Fenster in den Gebäudefalten nach Norden ausgerichtet sind, verringert sich Energieeintrag. Weniger direkte Sonneneinstrahlung verhindert, dass sich das Gebäude aufheizt. Zur Gebäudekühlung trägt auch die Begrünung von Fassaden und Dachflächen bei. Rankhilfen für Kletterpflanzen an der Fassade sorgen für Verschattung. Teils extensive, teils auch intensive Grünflächen auf den Dächern lassen Regenwasser verdunsten. Gebäudegrün und Regenwassermanagement nach dem Prinzip der Schwammstadt sorgen für ein gutes Mikroklima im Quartier und helfen, den städtischen Wärmeinseleffekt zu reduzieren. Überdies dient das Grün dem Ausgleich versiegelter Flächen und fördert die Artenvielfalt im urbanen Raum.

„Zukunftsfähige Architektur braucht einen ganzheitlichen Planungsansatz, der darauf abstellt, positive Auswirkungen des Bauens zu maximieren, statt nur zu versuchen, negative Folgen zu minimieren.“ Antonino Vultaggio, HPP Architekten

Das Energiekonzept sieht außerdem einen Anschluss an das geplante kalte Nahwärmenetz vor. Wärmepumpen erzeugen effizient das jeweils benötigte Temperaturniveau im Gebäude und geben gleichzeitig überschüssige Wärme an benachbarte Gebäude im Quartier ab. Den dafür benötigten Strom erzeugt eine Photovoltaikanlage auf dem Dach.

Schaufenster der Forschung

Die ästhetische Funktionalität des Gebäudes schafft außerdem soziokulturelle Mehrwerte, betonen die Architekten. Der Baustoff Holz sorgt für ein gesundes Arbeitsumfeld mit einer hohen Aufenthaltsqualität. Das Raumdesign ermöglicht modernes Arbeiten und New Work-Konzepte. Möglich ist auch eine Drittnutzung eines Teils der Büroräume, etwa für junge Unternehmen aus der Bioökonomie- und Green Tech-Szene, was Dialog und Wissenstransfer zugutekäme und auf den Charakter des neuen Innovationsquartiers der Stadt Düren einzahlt. Die offene Gestaltung des Gebäudes und ein kleiner Ausstellungsbereich machen sichtbar, was im Gebäude passiert, schaffen Nähe und sozialen Austausch.

Heute für morgen bauen

Das Architekturbüro HPP konnte sich mit seinem Entwurf 2021 in einer EU-weiten Ausschreibung für das Bauvorhaben durchsetzen. Zahlreiche Beispiele wie das Cradle-to-Cradle-Gebäude in Düsseldorf oder die Neue Medizinische Klinik des Universitätsklinikums Tübingen zeigen, was im zirkulären Bauen heute bereits möglich ist.

Mit ihrem Nachhaltigkeitskonzept wollen die Architekten die Platin-Zertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) erreichen. Damit wird das Forschungsgebäude einen der höchsten Baustandards erfüllen. Bewertet wird die Gesamtperformance eines Gebäudes anhand eines Kriterienkatalogs, der für Neubauten im Jahr 2023 umfassend überarbeitet wurde. Geprüft werden über die drei Nachhaltigkeitsdimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales hinaus auch Gebäudetechnik sowie Prozess- und Standortqualität.

„Nachhaltiges Bauen braucht einen Perspektivwechsel und generiert Mehrwerte.“

Nach einer Bauzeit von weniger als zwei Jahren soll die Modellfabrik Papier, die derzeit vom Interimsstandort im Forschungszentrum Jülich arbeitet, den Neubau beziehen können. Das Bauprojekt, das eng mit der Entwicklung des neuen Quartiers im Süden des Dürener Bahnhofs im Rahmen des Strukturwandels im Rheinischen Revier verknüpft ist, wird federführend von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft WIN.DN mit den Ämtern der Stadt Düren realisiert. Es wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert und vom Land Nordrhein-Westfalen kofinanziert.

Die nächste Veranstaltung in der Reihe findet am 14. November 2024 statt.

Der Museumsdialog zum Architektenentwurf des neuen Forschungsgebäudes ist auf dem Youtube-Kanal des Papiermuseums Düren abrufbar.
Die nächste Veranstaltung in der Reihe findet am 14. November 2024 statt.

Titelbild (c) HPP Architekten, Entwürfe (c) HPP Architekten, Galeriefotos (c) MFP

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